Der Weg in die Direktvermarktung
Wenn ein Milchviehbetrieb mehr und mehr zum Fleischrinderhalter wird
Bei den Wörls wurde seit jeher gemolken. Der Milchviehbetrieb liegt am bayerischen Ammersee und wurde schon von den Eltern Xaver und Antonie mit viel Liebe und Fachkenntnis betrieben. Xavers Wissen und seine Erfahrung als Zuchtwart beim LKV Bayern (Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e.V.) setzte er am eigenen Betrieb um, sodass er seinem Sohn Franz im Jahre 2010 einen kleinen, aber erfolgreichen Milchvieh-Bestand übergeben konnte. Dieser stellte den Betrieb gemeinsam mit seiner Frau Sandra 2012 auf biologische Produktion um.Mit 18 Milchkühen, zwischen 15 und 20 Jungrindern und wechselnder Kälberschar sowie den ca. 25 Hektar Grünland ist der Betrieb im Nebenerwerb für den Zimmermann und seine Familie nicht nur wichtiger Einkommensbaustein, sondern vor allem ein Herzensprojekt. Die Arbeit mit den Tieren, die Sorge um deren Wohlergehen und die Bestellung ihrer Flächen im Jahresverlauf macht der Familie große Freude. „Wir betrachten es als Geschenk und Privileg, dass wir so lebendig und geerdet leben und unsere Kinder so idyllisch aufwachsen dürfenˮ, so Sandra Wörl. Doch natürlich ist nicht alles pures Idyll: Die Betriebskosten steigen ohnehin stetig, die Preise für Kraft- und Mineralfutter, Diesel sowie für Strom und Wasser schnellen derzeit aber noch rasanter in die Höhe. Nicht so der Betrag auf der Milchgeldabrechnung. „Die Milchpreise werden ja nicht von uns Landwirten gemacht. Wir Milchbauern können nicht wie die meisten anderen produzierenden Gewerbe einen Energiezuschlag oder dergleichen auf unsere Milch verlangen. So spüren wir gerade jetzt immer deutlicher die Abhängigkeit von staatlichen Institutionen und Wirtschaftskonzernen.ˮ sagt Franz Wörl. Der Landwirt ist Mitglied des BDM, war jahrelang sehr aktiv im gemeinsamen Ringen um bessere Zahlungsbedingungen auf dem Milchmarkt – und ist heute recht ernüchtert, was die Hoffnung auf positive Entwicklungen in diesem Punkt angeht.
„Die Milchpreise werden nicht von uns Landwirten gemacht.“
Anfang 2022 kamen dann die ersten Gelbviehrinder hinzu. Das fränkische Gelbvieh gehört zu den bedrohten Rassen und wird in der Haltung staatlich gefördert. Die Zweinutzungsrasse wird auf dem Hof der Wörls auch als solche eingesetzt: die weibliche Nachzucht geht in den Milchviehbetrieb, die männlichen Kälber werden als Ochsen mit ca. dreieinhalb Jahren geschlachtet. Bis dahin haben die Tiere ein wunderbares Leben in der Herde und vor allem mit viel Weide. Das Milchvieh von Familie Wörl steht im Laufstall und hat von April bis Oktober freien Zugang auf die umliegende Kurzrasenweide. Die Fleischrinder stehen im Sommer gemeinsam mit den Jungkühen auf der Weide, den Winter über sind sie bisher im improvisierten Unterstand mit Auslauf aus Zaunelementen untergebracht. Demnächst steht ein Bauprojekt an: ein Offenstall mit großflächigem Auslauf für die Mutterkuhherde soll es werden. Franz Wörl ist hauptberuflich Zimmermann, er kann einen Großteil der Arbeiten selbst ausführen. Bei den Planungen ging es den Wörls hauptsächlich darum, den Tieren Schutz vor Wetterextremen zu bieten und den künftigen Arbeitsaufwand hinsichtlich Fütterung, Tränken und Entmistung möglichst gering zu halten. „Unser Hauptziel für die Zukunft ist ja, Arbeitszeit zu sparen und gleichzeitig unseren Tieren ein gutes, wenn man so will „glücklichesˮ Leben zu bieten.ˮ sagt Franz.
„Unser Hauptziel für die Zukunft ist ja, Arbeitszeit zu sparen und gleichzeitig unseren Tieren ein gutes, wenn man so will 'glückliches' Leben zu bieten.“Auf dem kleinen Betrieb ist die Anzahl der Tiere überschaubar. Die Landwirtsfamilie kennt jedes Tier persönlich und natürlich baut man eine Beziehung zu den Tieren auf. Die Schlachttermine sind jedes Mal eine emotionale Herausforderung für das Ehepaar. „Wir haben uns lange mit dem Thema auseinandergesetzt. Wer Fleisch essen will, der muss auch damit zurechtkommen, dass dafür ein Tier stirbt,ˮ so Sandra Wörl, „und uns geht es vor allem darum, dass die Tiere bis dahin ein angenehmes, artgerechtes Leben haben und der Weg zur Schlachtung komplett stressfrei verläuft.ˮ Die Schlachtung ihrer Tiere am Hof oder beim nahegelegenen Metzger begleiten Franz und Sandra Wörl bis zur letzten Sekunde. Sie führen die Tiere behutsam in den Stand. Hier gibt’s ein „letztes Zuckerlˮ - Weizenbruch, Kraftfutter oder je nach Vorliebe einen Apfel oder eine Karotte – eine letzte Streicheleinheit und schließlich den Schuss.
„Wir sind recht zufrieden mit der Entwicklung unseres zweigleisigen Konzeptes“